Texte

CATRIN MORSCHEK

Kunsthistorikerin M.A.

2023

Die unter dem Namen projekt.8 gruppierten Künstler:innen Anni Rieck, Petra Peichl und John Schmitz eint trotz grundlegender Unterschiede der konzeptuelle Ansatz, der sich in der Konzentration auf den inneren Ausdruck manifestiert. Dabei entstehen die Werke aus einem Zustand tiefsten eigenzentrierten Präsentseins, der sich auf unterschiedlichste Weise in ihnen widerspiegelt und vom Betrachter als sinnliches Erleben wahrgenommen werden kann. 

Während John Schmitz durchweg graphisch, zeichnerisch arbeitet, entwickelt Petra Peichl assoziative, intensive Farbräume auf Papier und Leinwand. Anni Rieck konzipiert aus Draht und Japanpapier gleichermaßen fragil und wehrhaft wirkende skulptural-malerische Arbeiten. Dabei beschränkt sie sich zumeist auf das den Materialien innewohnende Kolorit. Alle drei Künstler:innen bewegen sich in einem von ihnen relativ eng gesetzten konzeptuellen Bereich, dessen Raum sie in größtmöglicher Freiheit ausschöpfen. Die den Werken immanente Ruhe überträgt sich in den Raum und macht diesen zu einer Oase der Entschleunigung abseits des hektischen Alltags.

In seinen Papierarbeiten bedient sich der Künstler JOHN SCHMITZ unterschiedlicher Zeichenmittel, wie beispielsweise Tusche, Tinten- oder Bleistift. In seinem konzeptuellen Ansatz konzentriert er sich auf die Ziffer Acht, die fortlaufend, gleich einem geschriebenen Text, Zeile für Zeile den Bildträger füllt. Innerhalb der vielschichtigen Symbolik der Acht ist für den Künstler zuvorderst der naturwissenschaftliche Aspekt relevant. Für ihn ist die Acht Ausdruck für Stabilität, Festigkeit und Beständigkeit und beschreibt damit metaphorisch das unangreifbare Momentum im Hier und Jetzt. Ihm bietet die Konzentration auf diese begrenzte Bildsprache die Möglichkeit, in den kreativen Prozess abzutauchen, und dabei das lärmende Chaos des Alltäglichen abzustreifen, komplett bei sich zu sein und die eigene Präsenz zu spüren. Bei den Tuschearbeiten beispielsweise wird die Feder in die Tusche getaucht und so lange geschrieben, bis sie leer ist, und erst dann wieder gefüllt, wodurch abwechselnd verdichtende und lockere Strukturen entstehen. Dabei entwickeln die Arbeiten einen Eindruck von bewegter Ruhe und meditativem Fließen, der den Betrachter einlädt, sich vor ihnen und in sie zu versenken. Darüber hinaus ergibt sich ein auffälliger Kontrast zwischen Nah- und Fernsicht, da sich die bildgebende Ziffer Acht häufig nur aus unmittelbarer Nähe erkennen lässt und bei weiterer Entfernung lediglich als in Schwarz- und Grauwerten variierende Linienform wahrnehmbar ist.

Die äußerste Beschränkung in Bezug auf Bildzeichen und die Farbe Schwarz erlauben dem Künstler, so paradox es klingen mag, größtmöglichen Spielraum. In den Entstehungsprozess fließen vielfältige Eindrücke des Erlebten, Gesehenen und intellektuell und emotional Wahrgenommenen als unterschwellige Nuancen der Veränderung. Besonders augenfällig wird dies innerhalb der Serie „Acht mal Acht“, in der, in Folge von 64 Tagen, der Künstler jeden Tag ein Werk vollendet hat. Hier lassen sich klare Unterschiede erkennen, in denen sich das ewige Wechselspiel, das Werden, Wachsen und Vergehen alles Lebendigen, wenn auch latent, so doch sehr eindrucksvoll manifestiert.

 

Farben sind allgegenwärtiges Naturphänomen, Sinnesempfindung, materiell immateriell und Grundstoff und Hauptakteur der Kunst von PETRA PEICHL. Sie übersetzt Sinneswahrnehmungen, Gefühle und abstrakte Vorstellungen in Farbräume, die aus einem komplexen Prozess zahlreicher lavierender Übermalungen entstehen. Dabei arbeitet die Künstlerin vorzugsweise auf Papier und Leinwand. Während des Malvorgangs erforscht sie die Wirkung der Farbe und steigert häufig deren Wirkung durch die Beifügung eines komplementären oder in anderer Weise kontrastierenden Partners. Auf diese Weise entwickelt sie aus Selbsterlebtem abstrahierte Farbschichtungen, die den Betrachter ohne figurative Grenzen auf eine Reise in einen Kosmos von unauslotbarer Tiefe entführen. Farben wirken permanent auf unser Bewusstsein, ohne dass wir uns dessen gewahr wären. Sie ziehen uns in ihren Bann und laden uns zur Kontemplation ein.

Gleichermaßen wohnt den Farben eine versteckte Symbolik inne, die von den meisten Menschen, ungeachtet des Kulturkreises, dem sie entstammen, ähnlich interpretiert wird. Dergestalt evoziert eine mit hellen Blau- und Türkistönen spielende, sich zur Mitte hin horizontal dunkler verdichtende Arbeit ein sphärisches Phänomen, eine Meeresstimmung, wie sie in südlichen Breiten häufig zu beobachten ist. Ebenso erinnert ein unterschiedlichste Rotklänge durchspielendes und durch das kontrastierende Blau in der Farbwirkung gesteigertes Werk an ein energetisch aufgeladenes Kraftfeld, das sich in seiner Overall-Manier in den Raum zu erweitern scheint und den Betrachter in seinen Bann zieht.

Das Werk „Wantiōum“, eine der wenigen Arbeiten, denen die Künstlerin einen Titel als klangliche Erweiterung beigegeben hat, zeigt eine Impression in Gelb, die an eine frühabendliche Lichtstimmung erinnert. Dabei zieht sich vertikal durch das Zentrum ein komplementärer Violettschimmer gleich einer dunklen Wolke, die die Leuchtkraft der Grundfarbe noch überhöht.

 

Die plastisch-malerischen Werke der Künstlerin ANNI RIECK flottieren häufig zwischen Bild und Skulptur. Zurückhaltend, fast bescheiden, stellen sie sich dem ersten Blick des Betrachters in der Textur des Japanpapiers aus tonig gebrochenem Weiß und der kühlglatten Schwärze des Drahtes. Dies ist die Kombination von Materialien mit denen die Künstlerin vorzugsweise arbeitet.

Die große und vielgestaltige den Wandplastiken innewohnende Kraft erkennt der Betrachter erst beim näheren Hinsehen und damit deren raumgreifende Wirkung im Spiel von Licht und Schatten. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die verletzlich fragil scheinende Oberfläche des Papiers, das erst im Nachgang durch die collagierte Bearbeitung eine eigene Textur enthüllt. Unterschwellig wahrnehmbar nicht nur in den Werkstoffen, sondern auch in der Formgebung, ist ein japonistischer Einfluss. Anni Rieck war immer schon fasziniert von den vielen traditionellen, zeitintensiven, fast meditativ rituellen Zeremonien, wie sie in Japan immer noch gepflegt werden. Ähnlich vollzieht sich für sie der gestalterische Prozess langsam, extrem konzentriert und mit äußerster Ruhe.

In einer Reihe von Arbeiten setzt sich die Künstlerin, angeregt durch literarische Vorlagen, mit der Form und Bedeutung von Wänden auseinander. In dieser Werkreihe bestehen die Bildplastiken aus dreidimensionalen, mehr oder weniger regelmäßig quadratischen Gitterkonstruktionen, gefertigt aus dünnem Draht, deren Oberfläche partiell oder komplett mit in Streifen geschnittenem Japanpapier verkleidet, und mitunter auch mit Tusche bemalt ist. Das konstruktive Element in seiner den künstlerischen Eingriff offenlegenden Struktur bleibt dabei immer sichtbar und enthebt die Werke nahezu ihrer Erdenschwere, ja es entmaterialsiert sie förmlich. Ihre frei stehenden Skulpturen, verschlungene Objekte gearbeitet aus mit Japanpapier umwickeltem Draht, wirken wie bewegte, fast tanzende Tuschezeichnungen, die sich in die dritte Dimension erweitert haben. Um die gesamte Wirkung der Arbeiten zu erfahren, bedarf es der aktiven Wahrnehmung des Betrachters. Ein sich Bewegen vor den Werken, Schattenspiele, Nah- und Fernsicht zu erkunden, erlaubt vielgestaltige und oft meditative Eindrücke.